Ein bisschen wie Robin Hood – Osterholzer Kreisblatt

Hagener Schützenverein ist mit Bogensportsparte erfolgreich – Sommer-Turnier zum 30-jährigen Bestehen

VON ANDREA GROTHEER

Trainer Michael Nackenhorst (im Vordergrund) ist seit 15 Jahren Bogenschütze und hat viel Erfahrung. (Andrea Grotheer)

Hagen. Die Füße parallel zur Linie aufstellen, den Kopf in Richtung Ziel drehen, den Bogen spannen, dabei die Hand unter das Kinn ziehen und die Sehne auf die Nasenspitze halten. Jetzt nur noch locker die Hand öffnen und mit dem Pfeil ins Goldene treffen – so einfach könnte Bogenschießen sein.

Doch der Selbstversuch lässt einen anderen Eindruck zurück: Der Traditionssport ist bei Weitem nicht so leicht, wie er aussieht. Ausgerüstet mit einem Armschutz, einem Streifschutz für die Brust, einem mit Pfeilen gefüllten Köcher und einem sogenannten Tab, der die Finger beim Spannen der Sehne schont, wage ich den Versuch. Doch keiner der nach Anleitung abgeschossenen Pfeile erreicht auch nur annähernd das Ziel, meine Hand möchte sich nicht so locker öffnen lassen und an meiner Haltung muss wohl noch gearbeitet werden. Die Abfolge der Bewegungen will gelernt sein, auf Anhieb ist mir der Schuss auf die Zielscheibe nicht vergönnt.

Lernen kann man das Bogenschießen bei den Hagener Bogenschützen, einer Sparte des Hagener Schützenvereins. Trainer Michael Nackenhorst ist seit 15 Jahren aktiver Bogenschütze. „Ich war ein Späteinsteiger“, sagt der 50-Jährige schmunzelnd. Als Fachsportleiter und stellvertretender Bogenreferent ist er neben dem Bogenreferenten André Müller für die Gruppe zuständig.

„Die Bogenabteilung gibt es schon seit 30 Jahren, sie ist mal sehr klein angefangen“, erinnert sich Michael Nackenhorst. Heute sei Bogenschießen ein Trendsport mit großem Zulauf. „Wir platzen sozusagen aus allen Nähten und werden in diesem Jahr unseren Trainingsstand in der Hagener Schützenhalle vergrößern“, erzählt Michael Nackenhorst. Der Erweiterung fällt ein Teil des Kleinkaliber-Standes zum Opfer. „Wir haben hier knapp 40 Mitglieder im Alter zwischen zehn und fast 80 Jahren, sogar aus dem rund 40 Kilometer entfernten Neuenwalde kommen Bogenschützen zu uns“, freut sich der Trainer über das große Interesse.

Sven Allan ist seit November dabei. Sein neunjähriger Sohn Tobias hatte das Bogenschießen in einer Projektwoche der Hagener Grundschule kennengelernt. „Er wollte das ausprobieren, so habe ich den Sport auch für mich entdeckt“, sagt der Hagener, der nun gemeinsam mit seinem Sohn zum Training kommt und schon erste Erfolge erzielen konnte. „Über die Kreis- und Bezirksmeisterschaften habe ich mich für die Landesmeisterschaften qualifiziert“, verrät er stolz.

Abschalten könne man gut beim Bogenschießen, sagt Sven Allan. Ruhe und Konzentration sei erforderlich, und man müsse sich fokussieren. „Hinter sich sollte man alles ausblenden können“, rät Michael Nackenhorst. Und spricht bei den Bewegungsabläufen, die mir auf Anhieb so gar nicht gelingen wollten, von einem Automatismus, der später entsteht. „Alles muss immer exakt gleich ausgeführt werden“, so der Rat des Trainers für den Erfolg.

Bogensport in Hagen im Bremischen (Andrea Grotheer)

Aufgrund der großen Nachfrage bietet der Verein fünf Mal in der Woche Training an. Im Winter wird in der Schützenhalle trainiert. Wenn das Wetter besser wird, trifft sich die Gruppe auf dem Kreissportplatz, wo im Sommer auch das 30-Jährige Jubiläum mit einem großen Turnier gefeiert werden soll. Gezielt wird auf Zielscheiben aus gepresstem Stroh, sogenanntem Stramit. Sie werden gekauft, eine eigene Herstellung ist nicht möglich: „Die müssen so hart gepresst sein, dass ein Pfeil, der 400 Stundenkilometer schnell ist, nicht durchgeht“, erklärt Michael Nackenhorst, dessen Pfeile diese Geschwindigkeit erreichen. Er schießt mit einem sogenannten Compound-Bogen.

Das Gegenstück zu diesem hochtechnisierten Sportgerät ist der Recurve-Bogen, der eher noch ein wenig an Robin Hood erinnert. „Wir Compounder sind technikverrückt, sobald es etwas Neues gibt, müssen wir es haben“, meint Michael Nackenhorst mit einem Schmunzeln.

Für Anfänger empfehle sich ein Recurve-Bogen, mit dem auch die Kinder und Jugendlichen der Bogensporttruppe schießen. Für Max (10) und Jonas (11) gab es einen neuen Bogen zu Weihnachten, der in den ersten Trainingsstunden des Jahres ausprobiert und eingeschossen werden muss. Beim Auflegen der Sehne hilft der Trainer, mit dem sogenannten Checker wird die Standhöhe, die Entfernung vom Griff bis zur Sehne, gemessen. Bei Max beträgt sie 20,5 Zentimeter. „Der Abstand sollte immer exakt gleich sein und muss nach jedem Aufbau gemessen werden“, erklärt Michael Nackenhorst. Die Sehne müsse ebenfalls eingeschossen und wieder nachgestellt werden. Im Gegensatz zum Compound-Bogen wird der Recurve-Bogen aufgrund seiner Spannweite für den Transport zerlegt.

Neben Talent sei auch das Material ein entscheidender Punkt für Erfolge, meint der Trainer.Ab etwa 100 Euro ist ein Bogen zu bekommen, nach oben hin gibt es keine Grenzen. Für Anfänger bietet der Verein zunächst eine Leihausrüstung an. Beim kostenlosen Probetraining kann jeder, der sich für den Bogensport interessiert, ausprobieren, ob die Sportart etwas für ihn ist.

Ina Mielke hat vor rund eineinhalb Jahren ihre Leidenschaft für das Bogenschießen entdeckt, sie hat viel trainiert und bei der Deutschen Meisterschaft im letzten Jahr den siebten Platz erreicht. Bei ihrer perfektionierten Schusstechnik lässt sich gut erkennen, wie die Abläufe aussehen sollten. Scheinbar mühelos spannt sie den Bogen und schießt mit offener Hand, wie der Bogensportler sagt. Sie hält den Bogen nicht fest, nach dem Auslösen des Schusses kippt er in ihre Hand. Damit er nicht herunter fällt, sind Hand und Bogen mit einer sogenannten Bogenschlinge verbunden. „Der Bogen soll so für den Schützen arbeiten“, erklärt Michael Nackenhorst.

Ina Mielke benutzt zudem eine Augenklappe, mit der sie ein Auge verdeckt. „Beim Zukneifen eines Auges kommt es zu einer Verzerrung“, hat der Trainer auch hier die Erklärung parat. Mit einer exakt eingestellten Augenklappe sei es entspannender. Alternativ könne man mit beiden Augen offen schießen, das sei Übungssache, sagt der Fachmann. Bogenschießen sei zudem ein sehr gesunder Sport, weiß Michael Nackenhorst, dem das Training bei Rückenbeschwerden geholfen hat. „Man baut Muskeln im Rücken, in der Schulter und in der Brust auf und muss konditionell, mental und kräftemäßig fit sein, wenn man bei Wettkämpfen mitschießen möchte“, sagt er. Die Bogenschützen sind Mitglied im Behindertensportverband, auch Rollstuhlfahrer können den Sport ausüben.

„Wir platzen sozusagen aus allen Nähten.“ Michael Nackenhorst, Trainer

Informationen über den Bogensport in Hagen gibt es unter www.bogensport-hagen.de. Michael Nackenhorst ist unter Telefon 0 47 46 / 82 63 oder 0 152 / 56 17 86 82 zu erreichen.